Geschichten wurden seit jeher erzählt, um zu unterhalten, zu lehren oder Identifikation zu schaffen. Marken sind die modernen Geschichtenerzähler. Denn sie sind lebendig und verbinden sich durch ihre Geschichten mit dem Leben der Konsumenten oder der Mitarbeiter.

Ein gutes Brand Management, das von Kleinunternehmen genauso umgesetzt werden kann wie von großen Konzernen, basiert auf der Idee, Teil der Lebenswelt seiner Kunden zu werden. In der Vergangenheit hieß das, möglichst wiederholte visuelle Präsenz zu pflegen. Kleine Unternehmen, die beispielsweise in ländlichen Sozialstrukturen verwoben sind, setzten dies durch Bandenwerbung am örtlichen Fußballplatz, Anzeige in der Abizeitung, Sponsorenwerbung für ein Sportturnier, eine Wohltätigkeitsveranstaltung oder das neue Gemeindezentrum um. Bilder, insbesondere das Logo, mussten möglichst oft positioniert werden.
Heute spielt die Quantität der visuellen Präsenz durch Symbole keine große Rolle mehr, denn sie wird in der Informations- und Bilderflut leicht übersehen. Das aber, was dahinter steht, also die Teilhabe am öffentlichen Leben und das soziale Engagement des Unternehmens, vermittelt eine bestimmte Haltung. Diese Haltung ist von zentraler Bedeutung in der Kommunikation und in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit. Darüber gilt es zu sprechen – nicht in Form von Ich-Botschaften („Wir haben ermöglicht, dass das Turnier stattfinden konnten, indem wir xx EUR gespendet haben….“) sondern als Erzähler („Die Turniertage waren ein Spaß für die ganze Familie, die Jugend konnte zeigen was in ihr steckt.“). Das Medium, in dem heute fast alle mitreden, nennt sich aus diesem Grund „sozial“. Durch die sozialen Medien sind die Möglichkeiten einer visuellen Präsenz von Marken zwar stark eingeschränkt. Das heißt, der Einsatz von bestimmten Schlüsselbildern, einer bestimmten Farbe oder des Logos wird durch die Umgebung und das Design der sozialen Plattformen dominiert. Vielmehr werden Marken in diesem Bereich wiedererkennbar durch ihre eigene Tonalität. Die Geschichten kommen nicht mehr aus einer idealisierten Markenwelt (beispielsweise Marlboro-Country) sondern aus dem Leben der Menschen. Die Zielgruppe wird selbst zum Erzähler.

Wie aber bringt man sie dazu zu erzählen? Wie setzt man die Reize? Gerade Unternehmen, die keine Möglichkeit haben, teure Beratungsagenturen damit zu betrauen, Medienkanäle richtig zu bespielen, scheitern meistens an der Frage: Was erzähle ich denn überhaupt und – ach, ich habe dafür sowieso keine Zeit.

Dabei gibt es gelungene Beispiele wie Sand am Meer. Eines davon ist uns während des Corona-Lockdown besonders aufgefallen: „Standard Serious Pizza“ ist eine beliebte Pizzeria im Prenzlauer Berg in Berlin. Die Betreiber reduzieren sich auf das Wesentliche: Guten Geschmack und Qualitätsbewusstsein in ihren Zutaten, ihrer Menuekarte wie auch im Ambiente des Restaurants – Qualität vor Quantität. Was auffällt: Die Pizza hat eine Geschichte und der Pizzabäcker eine Vision: eine Pizza zu schaffen, die so neapolitanisch ist wie in Neapel selbst. Die ambitionierten Pizzabäcker experimentieren, reisen, lernen und …. lassen alle daran über Instagram teilhaben. Ein Foto – eine Geschichte. So lassen sich hunderte von Geschichten generieren. Und jedes Bild macht Appetit auf Pizza und mehr noch: Auf eine italienische Lebensphilosophie.

Aber es geht noch kreativer. Es gelang ihnen tatsächlich, ihre Kunden zu Erzählern zu machen. Wie alle anderen musste auch „Standard Serious Pizza“ ihr Ladengeschäft während des Lockdowns schließen und lieferte Pizza nun zu den Kunden nach Hause. Aber nicht nur das. Auf Instagram erscheinen plötzlich Posts von kreativen Feinschmeckern, die in ihren eigenen vier Wänden selbst begannen zu experimentieren. Sie haben sich den Pizzateig von ihrer Lieblingspizzeria schicken lassen, wurden kreativ und erzählten darüber. Die Essenz von Standard Serious Pizza ist schließlich der Teig. Dieser macht ihre Pizzen unverwechselbar und es ist keineswegs „markenschädigend“, wenn die Kunden diesen Teig selbst belegen. Stattdessen hat „Standard“ es geschafft, die Kunden zu Trägern ihrer Botschaft zu machen.

Ein weiteres schönes Beispiel finden wir auch in unserem Kundenkreis: Lufthansa City Center hatte während des Corona-Lockdowns als Reisebüro-Kette besonders zu leiden und auch Besonderes geleistet. Von einem Tag auf den anderen waren alle Reisevorhaben und Planungen gestoppt. Lufthansa City Center, für die wir 2018 die Marke überarbeitet haben, hatte sich im Rahmen des Relaunchs als Partner, besser noch als freundschaftlicher Vertrauter seiner Kunden positioniert. Dies spielt LCC nun in den sozialen Medien gekonnt aus. In der ersten Kampagne, die unter dem Namen „Jetzt träumen, später reisen“ lief, hielten die Reisebüros Reisewünsche und -träume ihrer Kunden aufrecht und machten Mut, dass es auch eine Zeit nach Corona geben würde. In der Folgekampagne „Urlaubsziele sicher & neu entdecken“, die zu dem Zeitpunkt erschien, als das Reisen langsam wieder erlaubt wurde, positionierte sich LCC als starker Partner, der seinen Kunden Sicherheit beim Reisen verspricht und der Antworten auf die vielen Fragen hat. Der „Sicher Reisen Podcast“ von LCC unterstützte dies mit wertvollen Informationen. Schließlich band LCC die Kunden selbst in die Kampagne „Glücksmomente“ ein. Sie wurden eingeladen, ihre liebsten Urlaubsfotos über die sozialen Medien zu teilen. Unter dem Hashtag #jetztträumenspäterreisen fanden sich Selbstportraits von glücklichen Kunden auf Reisen – ganz persönlichen Urlaubserinnerungen.
Diese drei Bausteine der Corona-Kampagne greifen ineinander und stützen sich, um LCC im Bewusstsein und in der Nähe – um nicht zu sagen in den Träumen – der Kunden zu verorten: Wünsche wecken, Sicherheit in der Verwirklichung von Träumen bieten und persönliche Empfehlungen, die das Versprechen von LCC als wahr untermauern.

 

Diese beiden Beispiel-Unternehmen haben es in der Kommunikation natürlich etwas leichter als andere, denn ihre Metiers sind von Genuss und guten Gefühlen geradezu erfüllt. Essen und Urlaub – damit verbindet jeder schöne Bilder oder guten Geschmack.
Was aber tun Unternehmen, deren Produkte oder Dienstleistungen weiter weg sind vom Kunden, wie z.B. Zulieferer in der Industrieproduktion. Oder wenn die Thematik weniger positiv besetzt ist, wie beispielsweise das Fachgebiet einer Steuerkanzlei.
Wir haben in diesem Jahr eine Kampagne für Martini&Schleicher Steuerberatung begonnen, die vor allem auf Mitarbeitergewinnung zielt.
Drei Themen dienen auch hier als Basis der Kommunikation: Die Darstellung von Martini&Schleicher als guter, sympathischer und fürsorglicher Arbeitgeber, die Darstellung als fachkompetenter Berater und die Verifizierung durch Einblicke in das Büroleben und o-Töne von Mitarbeitern.
Eine Problematik hatten wir zu bewältigen, da in dieser Zeit des höheren Bewusstseins für Datenschutz Mitarbeiter in den sozialen Medien berechtigterweise oft nicht genannt oder abgebildet werden möchten. Deren Persönlichkeitsrechte sind natürlich unter allen Umständen zu wahren. So haben wir Themen des Büroalltags in grafischer Form übersetzt. Die Darstellung der Sitzmöglichkeiten im Büro beispielsweise gibt auf unterhaltsame Weise und mit einem Augenzwinkern Einblicke in die Gewichtung von Konzentration und Entspannung am Arbeitsplatz. Die Beschreibung des Obstkorbs zeigt die Fürsorge des Arbeitgebers für seine Mitarbeiter.
Fachkompetenz wird durch die Serviceleistung „für Sie gelesen“ übermittelt. Unter dieser Rubrik werden Fremdbeiträge kuratiert, also positiv besprochen. Dies ist eine effektive und wenig zeitaufwändige Weise, informative Inhalte zu übermitteln. Es profitieren dabei alle drei Parteien: Der Verfasser des Artikels, da sein Artikel eine größere Verbreitung erfährt, die Steuerkanzlei als „Reposter“ des Artikels, da sie mit Ihrer positiven Besprechung des Artikels selbst Fachkompetenz beweisen kann und der Kunde, der eine direkte Empfehlung und gute Tipps erhält.
Einblicke in das Büroleben können Beitragsformate wie „3 Fragen an …“ vermitteln oder Bilder des Büros und von Ereignissen im Büro (Geburtstagsfeier, Jubiläum, neue Mitarbeiter). Abgebildete Personen müssen aber grundsätzlich ihre Genehmigung für die Veröffentlichung geben. Persönlich, menschlich sein und den Rezipienten intime Einblicke in das Büroleben zu gewähren – schwierig zu vereinen, aber mit diesen Hilfsmitteln funktionierte es.

Es sind drei verschiedene Wege, Geschichten zu erzählen. Dabei ist es nicht wichtig, wie groß das Unternehmen ist. Wichtig ist, dem Kunden möglichst nah zu kommen und ihn ausgewogen zu informieren und zu unterhalten.